Entwicklungen im Vergaberecht

Zusammengstellt von Wolf-D. Glockner
Rechtsanwalt

Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) veröffentlicht

Rechtslage im Bereich der Dienstleistungs- und Lieferaufträge unterhalb der Schwellenwerte wird an die Rechtslage
im Oberschwellenbereich angeglichen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 07.02.2017 die Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung-UVgO) veröffentlicht.

Die Vorschriften der UVgO gelten für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der Schwellenwerte gem. § 106 GWB (EU-Schwellenwerte).

Die UVgO ersetzt die VOL/A und tritt als Haushaltsrecht für den Bund erst durch die Neufassung der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 55 der Bundeshaushaltsordnung und für die Länder jeweils durch einen Erlass der zuständigen Landesregierung in Kraft.

Die UVgO orientiert sich strukturell an der für öffentliche Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte geltenden Vergabeverordnung (VgV) von April 2016. Wesentliche Regelungen sind:

1. Anwendungsbereich

Die UVgO trifft nähere Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren bei der Vergabe von öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen und Rahmenvereinbarungen, die nicht dem Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegen, weil ihr geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte gem. § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterschreitet (§ 1 Abs. 1 UVgO). Anders als bisher in der VOL/A umfasst der Anwendungsbereich der UVgO auch die Vergabe von freiberuflichen Leistungen. Hier gilt allerdings eine Sonderregelung (§ 50 UVgO). Die UVgO gilt nicht für Bauleistungen, die unter die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – VOB/A – fallen.

2. Pflicht zur E-Vergabe

Auch für den Unterschwellenbereich wird der Grundsatz der Kommunikation mit elektronischen Mitteln eingeführt (§ 7 UVgO). Hierzu wurden die Regelungen der VgV durch wörtliche Übernahme und Verweisung übernommen.
Lediglich das Fristenkonzept ist ein anderes als oberhalb der Schwellenwerte und auch ein anderes als in dem im Juni 2016 veröffentlichten neu gefassten ersten Abschnitt der VOB/A. Ein Ermessen des Auftraggebers zur Festlegung der Kommunikationsmittel besteht nur noch bis zum 31.12.2018. Ab dem 01.01.2019 muss der Auftraggeber die Einreichung von den in elektronischer Form übersandten Teilnahmeanträgen und Angeboten akzeptieren (§ 38 Abs. 2 UVgO).

Ab dem 01.01.2020 gibt der Auftraggeber vor, dass die Unternehmen ihre Teilnahmeanträge und Angebote in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausschließlich mit Hilfe elektronischer Mittel gem. § 7 übermitteln. Dasselbe gilt für die sonstige Kommunikation nach § 7 (§ 38 Abs. 3 UVgO). Ausnahmen von der Verpflichtung zur Übermittlung der Teilnahmeanträge und Angebote in elektronischer Form erlaubt § 38 Abs. 4 UVgO: Der Auftraggeber ist zur Akzeptanz oder zur Vorgabe elektronisch eingereichter Teilnahmeanträge oder Angebote nach den Absätzen 2 und 3 nicht verpflichtet, wenn

  • der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer € 25.000,00 nicht überschreitet oder
  • eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird.

Dasselbe gilt für die sonstige Kommunikation nach § 7 (§ 38 Abs. 4 UVgO).

Zukünftig sind von öffentlichen Auftraggebern somit hinsichtlich der E-Vergabe drei Fristenkonzepte zur berücksichtigen: Im Oberschwellenbereich das der VgV und im Unterschwellenbereich das der VOB/A bei Bauleistungen und des § 38 UVgO bei den anderen Lieferungen und Leistungen. Zum Vergleich: § 11 Abs. 1 VOB/A gibt ohne Befristung dem Auftraggeber die Möglichkeit, den Kommunikationsweg festzulegen, wobei Auftraggeber bis zum 18.10.2018 die Übermittlung der Angebote und Teilnahmeanträge auch auf nicht elektronischem Weg akzeptieren müssen.

3. Vorgaben zur Übermittlung der Vergabeunterlagen

Die Regelung in § 29 Abs. 1 UVgO, dass der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse angeben muss, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können, entspricht der Regelung in § 41 Abs. 1 VgV.

4. Begrenzung der Direktvergabe auf € 1.000,00

Nach § 14 UVgO können Leistungen nur bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von € 1.000,00 ohne Umsatzsteuer ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag).

5. EEE als Eignungsnachweis

Nach § 35 Abs. 3 UVgO kann der Auftraggeber zukünftig auch im Unterschwellenbereich als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen die Vorlage einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung nach § 50 der Vergabeverordnung verlangen.

6. Unteraufträge

Nach § 26 UVgO kann der Auftraggeber Unternehmen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen auffordern, bei Angebotsabgabe die Teile des Auftrags, die sie im Wege der Unterauftragsvergabe an Dritte zu vergeben beabsichtigen, sowie, falls zumutbar, die vorgesehenen Unterauftragnehmer zu benennen. Vor Zuschlagserteilung kann der Auftraggeber von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, verlangen, die Unterauftragnehmer zu benennen und nachzuweisen, dass ihnen die erforderlichen Mittel dieser Unterauftragnehmer zur Verfügung stehen. Nach § 26 Abs. 6 UVgO kann der Auftraggeber vorschreiben, dass alle oder bestimmte Aufgaben bei der Leistungserbringung unmittelbar vom Auftraggeber selbst oder im Falle einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden.

7. Auftragsänderungen

§ 47 UVgO verweist für die Auftragsänderungen auf § 132 GWB. Damit erfordern auch im Unterschwellenbereich wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit grundsätzlich ein neues Vergabeverfahren. Zum Vergleich: § 22 VOB/A fordert bei Bauleistungen kein neues Vergabeverfahren.

8. Rahmenvereinbarungen

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 erfolgt der Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Wege einer nach dieser Verfahrensordnung anwendbaren Verfahrensart. Gemeint ist damit, dass für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen die Vorschriften über die Vergabe von Aufträgen entsprechend gelten. Die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung darf nach § 15 Abs. 4 UVgO höchstens 6 Jahre betragen, darf also zwei Jahre länger als im Oberschwellenbereich sein.

9. Einbeziehung VOL/B

Nach § 21 Abs. 2 UVgO gilt eine Regelverpflichtung zur Einbeziehung der VOL/B. Eine Einschränkung wie bei § 29 Abs. 2 VgV, dass die Regelverpflichtung zur Einbeziehung der VOL/B nicht für die Vergabe von Aufträgen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich tätigen Angeboten werden und deren Gegenstand eine Aufgabe ist, deren Lösung nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, enthält die UVgO nicht.

10. Nebenangebote

Nach § 25 UVgO kann der Auftraggeber Nebenangebote zulassen. Anders als in § 35 Abs. 1 Satz 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber Nebenangebote danach nicht vorschreiben. Auch enthält § 25 UVgO, anders als § 35 Abs. 2 VgV, keine Regelung dahingehend, dass die Zuschlagskriterien so festzulegen sind, dass sie sowohl auf Hauptangebote, als auch auf Nebenangebote anwendbar sind.

11. Informationsverpflichtung des Auftraggebers

Nach § 46 UVgO unterrichtet der Auftraggeber jeden Bewerber und jeden Bieter unverzüglich über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die erfolgte Zuschlagserteilung. Gleiches gilt hinsichtlich der Aufhebung oder erneuten Einleitung eines Vergabeverfahrens einschließlich der Gründe dafür. Der Auftraggeber unterrichtet auf Verlangen des Bewerbers oder Bieters unverzüglich, spätestens innerhalb von 15 Tage nach Eingang des Antrags die nicht berücksichtigten Bieter über die wesentlichen Gründe für die Ablehnung ihres Angebots, die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots sowie den Namen des erfolgreichen Bieters und die nicht berücksichtigten Bewerber über die wesentlichen Gründe ihrer Nichtberücksichtigung. Eine Vorinformationspflicht, die den Auftraggeber verpflichtet, nicht nur den vergebenen Auftrag, sondern mit Wartefrist auch die Absicht, den Zuschlag zu erteilen, den Bietern mitzuteilen, enthält die UVgO nicht.

Fazit:

Erklärtermaßen orientiert sich die UVgO strukturell an der für öffentliche Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte geltenden Vergabeverordnung (VgV) von April 2016. Entsprechend werden die Verfahrensregelungen und Institute aus der für den Oberschwellenbereich geltenden Vergabeverordnung (VgV) weitgehend übernommen. Die Ziele der Vergaberechtsmodernisierung, wonach die Struktur und der Inhalt des deutschen Vergaberechts einfach und anwenderfreundlich sein müssen und die Vergabeverfahren effizienter, einfacher und flexibler gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren erleichtert werden sollen, werden damit verfehlt.