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Ausschreibungen und Augenzwinkern

Erstellt von Bettina Giemsa:Bettina Giemsa Branchen Infos Tipps für Unternehmen

Öffentliche Auftraggeber haben viele vergaberechtliche Vorgaben, an die sie sich halten müssen. Für den Laien wirken die Ergebnisse, sprich die Formulierungen in den Leistungsverzeichnissen, oft kurios. 

Extremer Detailreichtum und Präzision können gelegentlich übertrieben wirken, haben aber absolut ihre Daseinsberechtigung. Dieser Blog zeigt einige Beispiele mit einem Augenzwinkern auf – Wir wünschen viel Freude beim Lesen. 

Lama

Ungewöhnliche Fakten und Anekdoten rund um Ausschreibungen in Deutschland und der EU

 

1. Ausschreibungen bis ins Detail

Präzision und Klarheit sind wesentliche Anforderungen an eine Ausschreibung: Die Leistungsbeschreibung muss so detailliert wie nötig sein, um technische Spezifikationen, Materialanforderungen, Qualität und Ausführung klar zu definieren.

Es gibt daher auch Leistungsverzeichnisse, die exakt festlegen, wie viele Millimeter eine WC-Trennwand dick sein muss oder wie viele Sekunden ein Aufzug im Notfall die Türen offenhalten darf.

In Bau-LVs findet man durchaus Positionen wie: “Schraube, verzinkt, DIN 933, M8x40, 2 Stück” – einzeln gelistet, obwohl sie Cent-Artikel sind.
 

2. Anforderungen deutlich formulieren

Formulierungen wie: “Die Reinigungsleistung ist so zu erbringen, dass bei einer Wischprüfung keine sichtbaren Rückstände mehr auftreten” oder “Die Pflanze muss bei Lieferung frisch, gesund und gut durchwurzelt sein” sind im täglichen Sprachgebrauch nicht üblich, aber drücken deutlich die Qualität der zu erbringenden Leistung aus.

Kommunen schreiben regelmäßig Maskottchen-Entwürfe aus – komplett mit Vorgaben zu “emotionaler Ansprache” und “freundlich-dynamischem Wesen”. Es gab auch schon Ausschreibungen, wo sogar die Schweißbeständigkeit der Stoffe für Maskottchen-Kostüme vorgeschrieben wurde.
 

3. Exotisch und ungewöhnlich

Gibt es Dinge, die nicht ausgeschrieben werden können? Auf jeden Fall gibt es immer wieder auch ausgefallene Wünsche öffentlicher Auftraggeber…

In der EU wurden schon Dinge ausgeschrieben wie “lebende Rentiere” für Weihnachtsmärkte, Lamas für Landschaftspflege, oder präparierte Insekten für Forschung.

Auch Trockentoiletten für Wanderparkplätze, historisch authentische Nägel für Denkmalsanierung, “Duftkonzepte” für öffentliche Gebäude wurden in Deutschland schon ausgeschrieben.
 

4. Sprachliche Besonderheiten

Es gibt EU-Vorgaben, die verhindern sollen, dass Markennamen genannt werden. Statt „Lego“ heißt es in Ausschreibungen dann: “Kunststoff-Bausteinsystem, kompatibel mit marktüblichen Systemen mit Noppen- und Röhrenverbindungen.”

Oder statt “Tempo”: “Papiertaschentücher in rechteckiger Einmal-Abpackung, mindestens 4-lagig, weiß”.

 


Grundsatz der Produktneutralität

Im Vergaberecht bedeutet Produktneutralität, dass der öffentliche Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung einer Ausschreibung keine spezifischen Marken, Hersteller oder Produkte nennen darf, die bestimmte Bieter bevorzugen oder andere benachteiligen würden, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. 

Ausnahmen sind möglich, wenn eine produktspezifische Beschreibung durch die Natur des Auftrags gerechtfertigt ist (z. B. wegen technischer Unvereinbarkeit oder zur Sicherstellung der Gleichwertigkeit) und dies dokumentiert wird.

 

5. Ausschreibungen müssen alles abdecken

Für ein Bauprojekt gibt es oft Ausschreibungen bis in kleinste Details – sogar für “Provisorische Baustellen-Toiletten”, Absperrbänder, Kaffeefahrten der Bauarbeiter zur Schulung.

Bei einem EU-weiten Bauprojekt mit vielen Losen kann eine Leistungsbeschreibung durchaus mehrere Hundert Seiten erreichen!

Wie verfahre ich bei Unklarheiten in einer öffentlichen Ausschreibung?

Die Vergabestellen unterliegen klaren Vorschriften über die Ausfertigung ihrer Ausschreibungen. Nichtsdestotrotz kann es immer mal vorkommen, dass ein Unternehmen Fragen hat, bevor es ein Angebot abgeben kann.

Bieter können und sollten Fragen an die ausschreibende Stelle richten, da dies ein wichtiges Instrument ist, um Unklarheiten, Widersprüche oder Fehler in den Vergabeunterlagen zu beseitigen und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Fragen sollten schriftlich und sachlich formuliert sowie fristgerecht über die in der Ausschreibung vorgegebenen Kanäle gestellt werden, da dies für die Dokumentation und rechtliche Absicherung wichtig ist. 

Die ausschreibende Stelle ist verpflichtet, sachdienliche Fragen zu beantworten und die Informationen allen Bietern gleichzeitig zur Verfügung zu stellen, um Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen.

Tipp: Das Auftragsportal des Deutschen Ausschreibungsblattes unterstützt diesen Kommunikationsprozess zwischen Unternehmen und Vergabestellen in beide Richtungen.

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